Unser Verein
Es war der 12. Februar 1900, an dem sich 24 Frei-Weinheimer entschlossen, einen Verein zu gründen, dessen Ziel die Durchführung carnevalistischer Veranstaltungen und die Pflege der Geselligkeit unter den Vereinsmitgliedern war. Daran hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Anlaß zur Gründung war die Tatsache, daß es im Dorf der Schiffer und Fischer am Rhein eine große Anzahl bereitwilliger Narren gab, die sich nicht scheuten, ihren Humor auch vor Publikum unter Beweis zu stellen.
Nach vielen Zusammenkünften zur Vorbereitung war es dann am 13. Januar 1901 soweit. Die "1. Carnevalistische Abendunterhaltung" wurde im damaligen Saalbau Genzler veranstaltet. Das Programm bot Vorträge, Gesang, Gemeinschaftslieder und gleichzeitig die Möglichkeit für die Besucher, das Tanzbein zu schwingen. Hierauf aufbauend hat sich nur von den Kriegsjahren (1914 - 1918 und 1939 1945) unterbrochen kontinuierlich ein durch die dörfliche Gemeinschaft geprägtes närrisches Treiben entwickelt, wie das wohl auch an vielen anderen Orten im Landkreis der Fall war. Speziell die Vorträge und Lieder waren ein Spiegel der Zeit für das dörfliche Geschehen und nicht zuletzt auch die Gelegenheit, der Obrigkeit unter Ausnutzung der närrischen Freiheit einmal die Meinung zu sagen.
Die Jahre nach dem 1. und dem 2. Weltkrieg sind innerhalb der frühen Vereinsgeschichte wohl als die bemerkenswertesten zu bezeichnen. So mußte man sich 1919 von der französischen Militärbehörde eine Genehmigung einholen, um wieder Veranstaltungen durchführen zu dürfen. Man erhielt zwar die Erlaubnis, es war jedoch untersagt, Maskenbälle abzuhalten. Um hier kein Verbot zu riskieren, mußte man, der Not gehorchend, die Bezeichnung "Ball" verwenden. Als Eintritt wurde von den damals Verantwortlichen dann DM 1,50 für Tänzer, DM 0,50 für Nichttänzer und DM 0,50 für Soldaten mit Tanz festgesetzt. Im Jahre 1948 mußte erneut die französische Besatzungsmacht die Genehmigung zur Wiederaufnahme des Vereinsgeschehens erteilen. Hier wurden jedoch strengere Auflagen gemacht. So wurden aus den Protokollen des Vereins alle Seiten entfernt, die in den Jahren 1927 bis 1939 angefertigt worden waren. Darüber hinaus mußte der Verein ein neues Wappen führen. Das ursprüngliche Wappen, ein tanzender Harlekin mit Pritsche, wurde auf Anordnung der Besatzungsmacht in einen über die Wellen des Rheins springenden Fisch umgewandelt.
Es ist jedoch den Aufzeichnungen zu entnehmen, daß die Vereinsaktivitäten unmittelbar an die Unterbrechungen durch die Kriegsjahre, jeweils mit unverändertem Erfolg wieder aufgenommen werden konnten. Den Presseberichten aus dieser Zeit sind Formulierungen wie "Im kleinsten Stadtteil sitzen die größten Narren" oder "Bombenstimmung und voller Saal bei den Weinumer Narren" zu entnehmen. In den Jahren 1962 bis 1975 war man gezwungen, auf verschiedene Lokalitäten auszuweichen, weil ein von der Größe her in Frage kommender Saal plötzlich nicht mehr zur Verfügung stand. So wurden z.B. die Veranstaltungen in den Gasthäusern Ball in der Schubertstraße oder Vogel in der Kirchstraße durchgeführt. Das führte dazu, daß viele interessierte Besucher nur auf Notplätzen unterkamen oder daß ihnen gar kein Einlaß mehr gewährt werden konnte.
Dies war wohl für den Verein die schwerste Zeit in seiner Geschichte, da hier die Gefahr der Auflösung bestand. Auch eine Abwanderung vieler Frei-Weinheimer zu anderen Carneval-Vereinen in der unmittelbaren Umgebung war zu verzeichnen. Trotzdem wurden alle Aktivitäten aufrecht erhalten. Man hat es sogar geschafft, im Jahre 1962 trotz der schwierigen Situation sämtliche Spielgeräte für den neu errichteten Spielplatz am Hochwasserdamm zu spenden.
Im Jahre 1975 konnte dann anläßlich des 75-jährigen Jubiläums bekanntgegeben werden, daß ab 1976 der früher bereits genutzte Saal der Gaststätte "Rheinkrone" in der Dammstraße genutzt werden durfte. Dies war jedoch nur möglich, indem man sich mit dem Besitzer auf eine Teilung des Gewinns einigte. Um die ohnehin leere Vereinskasse aufzubessern, entschlossen sich die Aktiven, ein Fest über die Pfingsttage auf der Jungau zu gestalten. Hier wurde mit erstaunlicher Kreativität den Besuchern ein regelrechter kleiner Jahrmarkt geboten. Die erzielten Einnahmen bildeten dann den Grundstein für die ab 1976 wieder in großem Rahmen durchgeführten Veranstaltungen des Traditionsvereins CVFW. Die Beteiligung des Besitzers am erwirtschafteten Ergebnis war jedoch im Hinblick auf erforderliche Investitionen mehr als hinderlich. Ein für den Verein günstigerer Vertrag konnte nicht abgeschlossen werden.
Im Jahre 1978 zeichnete sich jedoch eine einschneidende Veränderung für das Vereinsgeschehen ab. Auf Initiative des damaligen Sitzungspräsidenten erreichte man bei der Stadtverwaltung Ingelheim mit großer Unterstützung des damaligen OB Anno Vey die Zusage, die neu erbaute Turnhalle auf dem Gelände der Brüder-Grimm-Schule in Frei-Weinheim für die Veranstaltungen nutzen zu dürfen. Große Aufgaben waren zu bewältigen, da man beschlossen hatte, auch die Bewirtung der jeweils über 600 Gäste in eigener Regie zu übernehmen. Dies bedeutete für die Aktiven eine wesentliche Belastung über die gesamte Kampagne. Einen Eindruck über die zu leistende Arbeit vermittelt die Zahl von jährlich 6.000 Arbeitsstunden, die erforderlich sind, um alle Veranstaltungen vorzubereiten und durchzuführen.
Die Tatsache, daß man hier eine Einrichtung nutzt, in der ein regelmäßiger Sportbetrieb für Schulen und Vereine stattfindet, bedeutet oftmals, daß man unmittelbar nach den Veranstaltungen, also in den frühen Morgenstunden, die Halle räumen und für die Nutzung am nächsten Tag wieder herrichten muß.
Doch alle Anstrengungen und Mühen haben sich gelohnt. Nach nur 3 Jahren hatte man es geschafft, zum Publikumsmagneten für Ingelheim und Umgebung zu werden. In den zurückliegenden Jahren besuchten durchschnittlich knapp 2.000 Besucher die Sitzungen, nahezu 3.000 die Maskenbälle und andere Veranstaltungen des Vereins. Diesen Erfolg verdankt man nicht zuletzt dem Umstand, daß hier eine Fassenacht geboten wurde, die sehr publikumsbezogen war, weil man dem "Volk aufs Maul geschaut hat" und stets auch die notwendige Portion Lokalkolorit geboten wurde. Das Publikum nimmt es bis heute dankbar auf, daß man hier nicht nur zuhören und artig applaudieren darf, sondern hier ist man regelrecht aufgefordert, aktiv mitzumachen und hat dabei offensichtlich sehr viel Spaß. Der Verein und seine Mitglieder haben sich jedoch nicht ausschließlich auf die "närrischen" Aktivitäten konzentriert. Stets hat man darauf geachtet, auch den anderen Aufgaben eines Vereins Rechnung zu tragen. Der CVFW hat sich stets im kulturellen Bereich innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen engagiert. Die Mitwirkung bei vielen Veranstaltungen hat somit auch den Namen des Vereins weit über Ingelheim hinaus bekannt gemacht. Anläßlich des bekannten Hafenfestes am Rheinufer hat der Verein den "Frei-Weinheimer Abend" ins Leben gerufen und auch in den ersten fünf Jahren verantwortlich organisiert und überwiegend bestritten. Diese Neuerung fand bei den Besuchern des Hafenfestes großen Anklang. Nach dieser Zeit wurde die Gesamtplanung des Festes aufgenommen, ist mittlerweile jedoch leider nicht mehr auf dem Programm zu finden.
Kurz vor dem Jubiläumsjahr 2000 kann man auf knapp 300 Mitglieder zählen. Davon stellen sich ca. 130 Aktive als Büttenredner, Sänger, Tänzer und Parodisten in den Dienst der närrischen Sache und bieten ein anspruchsvolles Sitzungsprogramm. Die Schwerpunkte in den Darbietungen liegen eindeutig auf den Sektoren Lokalkolorit und Klamauk. Es wird jedoch stets darauf geachtet, daß auch die literarische Fassenacht ihren Platz in den Programmen erhält. Ganz besonders Stolz ist man auf die Aktivitäten im tänzerischen Bereich, wo ein Gardeballett, ein Showballett, zwei Nachwuchsballetts, ein Kinderballett, eine Boygroup, ein Männerballett und zwei Funkenmariechen alljährlich ihr Können unter Beweis stellen. Hier ist besonders das CVFW-Showballett hervorzuheben, ohne allerdings die Leistungen der anderen Gruppen zu schmälern. Das Showballett tritt inzwischen das ganze Jahr auf verschiedenen Veranstaltungen und Tanzwettbewerben auf und hat schon mehrere Preise für die vorderen Plätze eingeheimst. Es ist mittlerweile weit über die Grenzen Ingelheims bekannt und kann auch für private Feiern und Feste engagiert werden.
Und noch ein Jubiläum kann gefeiert werden: die Gesangsgruppe "Wasserhinkel" des CVFW wird in dieser Kampagne "1 x 11 Jahre" alt. Wenn man bedenkt, daß dieser Chor damals im Jahre 1990 aus der Not geboren wurde, freut man sich natürlich besonders, daß sich die heute 17 Sängerinnen und Sänger umfassende Interessengemeinschaft inzwischen einen Namen gemacht hat und aus dem Vereinsgeschehen nicht mehr wegzudenken ist. Nicht weniger als 10 Gründungsmitglieder sind auch heute noch mit Begeisterung und Elan bei der Sache.
Zu den Maskenbällen hat sich der Verein in den letzten Jahren eine publikumsfreundliche Variante einfallen lassen. Neben der Gelegenheit, das Tanzbein zu schwingen, werden die Besucher auch mit Darbietungen aus den Sitzungsprogrammen und Showteilen überrascht. Auch die Gestaltung der Turnhalle wird an den tollen Tagen ganz und gar auf das Feiern abgestimmt und somit eine "Erlebnis-Fassenacht" geboten.
Zu erwähnen ist auch noch die alte Tradition der Straßenfassenacht in Frei-Weinheim. Jahr für Jahr schlängelt sich am Fastnachtdienstag ein beträchtlicher Lindwurm durch die schmalen Gassen und von den vielen bunten und lustigen Motivwagen und auch von den Fußgruppen wird immer eine riesige Stimmung verbreitet. Anschließend trifft man sich in den verschiedenen Lokalitäten zum gemütlichen Beisammensein und abends natürlich beim Lumpenball mit Beerdigung der Fastnacht beim CVFW.
Für die nächsten Jahre ist es das erklärte Ziel des Vereins, sich weiterhin auf die immer stärker spürbaren Anforderungen des Publikums einzustellen. Schon vor einigen Jahren hat sich die Einstellung der Besucher von der bloßen Zuschauer- und Zuhörerrolle in eine aktive Beteiligung am närrischen Geschehen, insbesondere bei den Bällen, gewandelt. Hier war die sogenannte Erlebnisfassenacht der letzten Jahre wohl der erste Schritt in diese Richtung. Dem Unterhaltungsbedürfnis der Besucher muß auch künftig Rechnung getragen werden, um eine langjährige Bindung an den Verein des Heimatortes zu garantieren. Neue Ideen, kombiniert mit der uralten Tradition der Fassenacht, sind hier gefragt. Dies muß jedoch überlegt und wohl dosiert an den "Kunden" herangetragen werden. Die zu bewältigende Schwierigkeit aus heutiger Sicht ist es wohl, die Interessen der verschiedenen Altersgruppen von streng traditionsbewußt bis hin zu moderner Unterhaltung unter einen Hut zu bringen.
Ein weiterer Schritt in diese Richtung war wohl im November des letzten Jahres, also im "närrischen" Jubiläumsjahr des CVFW, die unter der Mitwirkung und Beteiligung des Carneval-Vereins Wäschbächer, des Narren-Clubs Ingelheim und der Selztallerchen durchgeführte 1. Gemeinschaftssitzung in der Turnhalle der Brüder-Grimm-Schule. Vor ausverkauftem Haus brannten die vier Vereine (der Ingelheimer Carneval-Verein war terminlich leider verhindert) ein wahres Feuerwerk an Spaß und Kokolores ab. Die Sitzung wurde so gut von allen Altersgruppen der Ingelheimer Bevölkerung angenommen, so daß direkt geplant wurde, diese Veranstaltung ab sofort jährlich in den festen "närrischen" Fahrplan in Ingelheim aufzunehmen.
Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, gilt es, die Rezeptur zum Mixen des närrischen Cocktails zu finden, der den Geschmack der unterschiedlichen Gruppierungen betrifft, welche die verschiedenen Veranstaltungen besuchen. Aufgrund der Erfahrungen, die man in den letzten Jahrzehnten gesammelt hat, müßte es jedoch gelingen, auch in den nächsten 100 Jahren die Fassenacht zu bieten, die bis heute der Garant für eine erfolgreiche Vereinsarbeit war. Die Voraussetzungen hierfür sind vorhanden: eine Schar engagierter Aktiver, die sich der Fassenacht mit Leib und Seele verschrieben haben und ein Publikum, das die Darbietungen und den damit verbundenen Aufwand richtig zu schätzen weiß und auch entsprechend honoriert.
Da inzwischen auch sehr viele Jugendliche ihr Interesse und ihr Talent für das närrische Treiben entdeckt haben und sich auch mittlerweile sehr stark im Vereinsleben engagieren, braucht man sich momentan ganz gewiß keine Sorgen um die Zukunft des Carneval-Verein Frei-Weinheim zu machen.
Verfaßt vom
Ehrensitzungspräsidenten Klaus Schnell
Ergänzt vom
Gerhard Kemeter